Journal

im Weinführer – Südliche Weinstrasse

Wir freuen uns Teil dieses sehr schönen Portraits zu sein.
geschrieben von Sigrid Frank-Eßlinger

Wege zum Wein

Öko-Weinbau ist auf dem Vormarsch. 2015 wurden bereits acht Prozent der Rebfläche in Deutschland ohne synthetischen Pflanzenschutz und Mineraldünger bewirtschaftet. Die Wege der Winzer zu mehr Natur- und Umweltschutz sind ganz unterschiedlich.

»Meine Ausgangsfrage war: Wie bekomme ich den unverwechselbaren Ausdruck unserer Lage und meiner Arbeit im Weinberg möglichst gut in den Wein?«, erklärt Sven Leiner seinen Weg zum biologisch-dynamischen Weinbau. »2001 begannen wir damit, die ersten Weine spontan zu vergären. Und Stück für Stück habe ich dann auch meine Arbeit im Weinberg verändert. Um ein Bio-Label ging es mir zunächst gar nicht.« So ähnlich wie der junge Inhaber des Weinguts Jürgen Leiner in Ilbesheim sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Winzer in eine nachhaltigere und gesündere Bewirtschaftung ihrer Weinberge gestartet. Allein zwischen 2007 und 2012 hat sich die ökologisch bewirtschaftete Rebfläche in Deutschland verdoppelt, 70 Prozent dieser Öko-Rebflächen liegen in Rheinland Pfalz. Leiner, der seit 2005 zertifiziert ist und seit 2011 seinen Wein unter dem Demeter-Siegel vertreibt, wollte irgendwann von Dünger und synthetischem Pflanzenschutz weg. »Das war zunächst eine Bauchentscheidung. Ich wollte zufriedener sein mit meiner Arbeit und meinem Produkt. Und dann geht man mit offenen Augen durch den Weinberg, beobachtet die Natur, probiert aus und sieht, welche Maßnahmen die Gesundheit und Vitalität der Reben langfristig fördern. Heute bin ich überzeugt, dass man nicht mit Einzelaktionen gute Wirkung erreicht, sondern nur, indem wir das komplette Umfeld der Reben so gut wie nur möglich und auf natürliche Weise unterstützen.« Statt Mineraldünger brachte Leiner für einige Zeit Stallmist in den Weinberg, begrünte die Fahrgassen, sorgte für ein gesundes Umfeld und begann noch intensiver als zuvor durch Laubarbeiten die Gesundheit seiner Reben zu fördern. Aber mit Mist zu düngen war noch nicht die beste Lösung für ihn: »Mist braucht Wasser zum genau richtigen Zeitpunkt im Weinberg, damit die Umwandlungsprozesse stattfinden können und die Nährstoffe für die Pflanzen im richtigen Moment zur Verfügung stehen. Im Laufe der Zeit wurde mir bewusst, dass energiereicher Kompost als Düngung die viel bessere Lösung ist.« Seither verwendet Leiner viel Zeit und Energie darauf, den eigenen Trester, Pferdemist und den Grünschnitt der Gemeinde mit Hilfe von biodynamischen Präparaten zu kompostieren. Der gewonnene Kompost bringt – da ist Leiner sicher – komplexere Verbindungen in den Boden und verbessert neben der Nährstoffzufuhr zusätzlich dessen Wasserhaltefähigkeit und die Krümelstruktur. »So habe ich mich rangetastet und nach und nach meine ganze Arbeit umgestellt. Es geht dabei nicht um ›Rebenernährung‹, sondern darum, der Rebe ein Umfeld zu schaffen, in dem sie sich wohlfühlt und alles zur Verfügung hat, was sie braucht. Darin sehe ich meine Aufgabe.« Für Leiner gehört dazu auch die Pflege der Kulturlandschaft im weiteren Umfeld, etwa Streuobstwiesen und Lebenstürme, in denen viele Insektenarten einen Lebensraum finden. Außerdem stimulieren Maßnahmen wie das Ausbringen von Pflanzentees, Hornmist und Hornkieseln das Wachstum seiner Reben.

Auf diese Weise haben sich im Laufe der Jahre die komplette Betriebsstruktur wie auch die Sorten, das Sortiment und schließlich die Kundenstruktur des Weinguts geändert. »Gegenüber früher pflanzen wir heute wesentlich weniger Sorten an, haben aber mehr Tiefe ins Sortiment gebracht. Rieslinge und Burgundersorten stehen für uns im Vordergrund, insbesondere die Lagenweine unserer besten Lage Kalmit. Diese Weine prägen heute die Identität unseres Weinguts. Sie sind von uns gemacht und schmecken nach uns.«

Neue Rebsorten, die so genannten Piwis, waren für Sven Leiner bisher kein Thema, einen ersten Versuch auf einer kleineren Rebfläche hat er allerdings fürs kommende Jahr geplant. Ganz der Erforschung und Entwicklung dieser pilzwiderstandsfähigen Sorten – das bedeutet nämlich die Abkürzung Piwi – widmen sich hingegen Klaus und Susanne Rummel. Die Hälfte ihrer zwölf Hektar großen Anbaufläche in Landau-Nussdorf ist inzwischen mit Sorten bepflanzt, die vor wenigen Jahren noch einfach 1er, 5er oder 17er hießen. Während jahrelanger Prüfverfahren durch das Bundessortenamt durften sie nur in kleinen Mengen und mit Sondergenehmigung angebaut werden. »Wir experimentieren schon sehr lange mit neuen Sorten«, erklärt Susanne Rummel, »Kunden, die heute zu uns kommen, haben sich vorab informiert und sind offen, die neuen Sorten zu probieren.«

Nach den ersten Experimenten in den achtziger Jahren bewirtschaftet das Ehepaar den Betrieb seit 1994 nach den Richtlinien des Anbauverbands Ecovin und pflanzt Piwis. »Diese neuen, pilzwiderstandsfähigen Rebsorten sind aus meiner Sicht die Zukunft des Weinbaus«, sagt Winzermeister Klaus Rummel, »sie sind eine gute Lösung für Umwelt und Natur, bieten uns also maximale Nachhaltigkeit und schmecken gut.«

Aus dieser Überzeugung heraus engagiert sich Rummel auch bereits seit vielen Jahren in der Erforschung und Weiterentwicklung der zahlreichen Neuzüchtungen. Denn Weinbau ist und bleibt eine besondere Herausforderung in Deutschland. Die Weingärten sind Monokulturen und liegen an der klimatischen Ausbreitungsgrenze. Das ermöglicht den Winzern zwar ausgezeichnete Weinqualitäten, macht die Anlagen aber stets anfällig für Schädlinge. Ökologisch arbeitende Winzer wie Klaus Rummel und Sven Leiner legen besonderen Wert darauf, die natürliche Bodenfruchtbarkeit zu erhalten und zu steigern und ihre Reben so weit wie möglich mit umweltverträglichen Maßnahmen zu schützen. Was das genau heißt, sieht man den Weingärten in Nussdorf schon von weitem an: Während zwischen konventionell bewirtschafteten Reben oft nur ein bisschen Gras auf dem verdichteten Boden wächst, leuchten aus Rummels Weinberg gelbe Sonnenblumen und lila Malven. Buchweizen, Erbsen, Ackerbohnen, Ringelblumen, Wicken und verschiedene Kleearten wuchern zwischen den Rebzeilen und helfen, den Boden zu stabilisieren. Außerdem sind sie Nahrung und Lebensraum für Mikroorganismen, Insekten und Vögel, die mithelfen, Rebenschädlinge zu reduzieren. In so genannten »Lebenstürmen« aus Trockenmauerresten, Totholz und Baumschnitt finden Eidechsen, Igel und Feldhasen Unterschlupf. An den Wurzeln der Luzerne, die hier überall wächst, hängen Knöllchenbakterien, die den Stickstoff aus der Luft in den Boden bringen. Den Borretsch lieben Hummeln und Bienen und den wilden Fenchel dazwischen braucht die Raupe des Schwalbenschwanzes. »Unsere Reben bekommen nicht einzelne Maßnahmen um sie zu unterstützen oder zu schützen. Vielmehr ist die Summe unserer Aktivitäten darauf angelegt, nachhaltig, ökologisch sinnvoll und gesund zu wirtschaften«, erklärt Rummel. »Die Reben haben so weniger Stress durch Trockenheit, Schädlinge oder harten Boden. Das lässt sich anhand des Aminosäuregehalts messen.« Deshalb fährt Rummel auch möglichst selten mit dem Traktor durch die Rebanlage, um den lockeren, gut strukturierten und gesunden Boden nicht wieder zu verdichten. Dennoch: »Auch Weinreben, die in so günstigen Verhältnissen leben, machen Pilze wie der echte und der falsche Mehltau zu schaffen. Je nach Witterung schwächen sie die Pflanzen massiv und mindern den Ertrag. Deshalb liegt für Rummel die Zukunft des Weinbaus in den pilzwiderstandsfähigen Sorten. Auch wenn die klassischen Sorten wie Riesling oder Burgunder immer noch einfacher zu vermarkten sind.

Aber der Markt für den würzig duftenden Cabernet blanc, den roten Pinotin und den Muscaris, aus dem Rummel einen spritzigen Perlwein keltert, wächst. Neben den privaten Kunden interessiert sich auch die Gastronomie für die neuen Sorten: »Das Seehaus Forelle am Waldsee Eiswoog hat den Cabernet blanc als teuersten Wein auf der Karte«, erzählt Rummel, »das ehrt mich.«

Dieser pilzwiderstandsfähige Cabernet blanc, entwickelt von dem Schweizer Rebenzüchter Valentin Blattner, wurde 2015 zum allgemeinen Anbau freigeben. Nach 24 Jahren Prüfung als erste Rebsorte aus privater Züchtung. Aber weil die Evolution nicht Halt macht, und der Mehltau sich immer weiter entwickelt, muss auch die Forschung an pilzwiderstandsfähigen Sorten weitergehen. Klaus Rummel steckt hierfür im Moment in einem Forschungsprojekt, bei dem es um das Resistenzmanagement von Piwi-Sorten geht. Und er arbeitet mit der neuen Sorte CAL 6-04 von Züchter Valentin Blattner. Die Rebe ist aus einer Kreuzung von Sauvignon und Riesling entstanden, schmeckt sehr gut und bietet als erste Rebe überhaupt mehrfache Resistenzen.

Herzlichen Dank an den SüdlicheWeinstrasse e.V.
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